Matthew Tolmach: Unser Regisseur Marc Webb ist das Produkt einer anderen Welt. Schaut euch an, was er in „(500) Days Of Summer“ gemacht hat. Die Stimmung des Film war unglaublich modern und naturalistisch. Und die Welt hat sich in 12 Jahren auch sehr verändert. Die Einstellungen der Menschen sind anders. Dieses klassische Bild vom Nerd, der in den Dreck geschubst wird - das ist nicht mehr die Welt in der wir leben. Durch Marcs Wunsch, den Film in einer realistischen Welt anzusiedeln, kamen wir zu Ansicht, dass Peter sich wie junge Leute von heute fühlen müsste. Peter brauchte ein Gefühl der Selbstbestimmung. Er hat das Herz eines Helden lange bevor er von der Spinne gebissen wird. Er ist eine aktive Figur, er öffnet die Büchse der Pandora. Und weil seine Eltern ihn verlassen haben, begibt er sich auf ein Abenteuer, um herauszufinden wer er ist.
Außerdem lieben wir einfach Peter Parker. Es gibt Figuren in der Literatur , die den Wandel der Zeiten überstehen. Die Zeiten ändern sich, die Umstände ändern sich. Kann man trotzdem weiter Geschichten über sie erzählen ? Ich denke ja, unbedingt. Und als Kinogänger will auch weiter Spider-Man-Filme sehen. Ich will aber, dass sie auch in Zukunft einen Bezug zu der Welt haben, in der ich lebe.
Avi Arad: Im ersten Film gehen Peter Parker an der Uni die Münzen zum Telefonieren aus. Suchen sie heute mal ein Münztelefon. Viel Glück ! Heute gibt es Handys, die man sich von jemand ausleihen kann.
Das ist nur eine Kleinigkeit aber Teil der Veränderungen in der Welt und so sehen wir auch Helden anders. Als wir Spiderman 1 gedreht haben, passierte 9/11. Wir mussten das Poster ändern und viele andere Sachen. Seitdem ist die Welt gereift. Heldentum wird nicht mehr zynisch gesehen, es ist ein Bedürfnis dafür da. Und das gibt Peter Parker mehr Biss, er ist bereit sich einzumischen . Nicht nur wenn es darum geht, ein Kind auf der Straße zu retten, es geht viel weiter.
FILM.TV: Peter Parker ist auf dem College, die X-Men gehen zur Schule, aber viele Comicfans werden doch immer älter. Brauchen wir da nicht langsam auch ältere Comichelden ?
Avi Arad: Die gibt es ja. Thor ist zum Beispiel ziemlich alt. Ich glaube wir wissen gar nicht wie alt wir selbst sind. Wir beziehen uns immer auf frühere Erlebnisse und die traumatischsten Erfahrungen haben wir im Alter zwischen 4 und 16. Danach haben wir uns mit allem abgefunden.
FILM.TV: Wie sind sie darauf gekommen, Marc Webb als als Regisseur zu engagieren ?
Avi Arad: Ich werde nie vergessen, wie Matt mich anrief und sagte: „Komm, ich will, dass du jemanden triffst.“ Es war Marc Webb. Ich meinte „Das ist der Typ der „(500) Days Of Summer gedreht hat, den Frauenfilm“ und Marc meinte „Was wollt ihr von mir ?“
Matthew Tolmach:: „(500) Days“ war nun mal der einzige Film, den er bis dahin gemacht hatte.
Avi Arad : Aber die Beziehungen darin waren so ausgereift und klischeefrei.
Matthew Tolmach: Du musst bedenken, was Spider-Man-Filme bedeuten – zumindest für uns. Das fing schon mit Sam Raimi an. Die Liste der Regiebewerber für den ersten Film war damals ein Who-is-Who großer Namen. Wir wählten aber Sam Raimi, der zwar heute groß ist, damals aber nicht auf der Liste stand. Wir haben ihn wegen seiner Liebe für Peter Parker eingestellt. Marc Webb ist, so gesehen eine sehr vernünftige Entscheidung, wenn man weiss, wonach wird gesucht haben.
Spider-Man-Filme sind zwei Dinge: Zunächst natürlich ein großes Spektakel, sie müssen visuell umwerfend sein, man spüren, wie es sich anfühlt zu fliegen. Aber das ist alles nichts wert, wenn es nicht zu allererst um Peter Parker geht und man mit der Figur mitfühlt. Marc Webb brachte die Fähigkeit mit, eine sehr intime Charakterstudie zu erzählen, die sich glaubwürdig anfühlte. Wir haben nicht nach jemand gesucht, der nur tolle Bilder liefert. Das zwar auch, aber er musste eine Welt mit echten Figuren und Drama erschaffen.
Avi Arad: Um an Spider-Man zu glauben, muss man vor allem an Peter Parker glauben. Wir verlieben uns in den Jungen hinter der Maske weil wir wissen, wer er ist. Wir sorgen uns um ihn, und mögen ihn, wenn er verletzlich ist. Wenn er dann furchterregende Gegner bekämpft, wollen wir bei ihm sein.
FILM.TV: Hat sich die Wahrnehmung von Spider-Man durch die Videospiele geändert, in denen die Kinder sich selbst durch die Straßenschluchten schwingen können ?
Avi Arad: Ich glaube Kinder wollen generell dem Guten nacheifern. Ich war lange Spielzeugentwickler und habe viele Trickfilmserien gemacht. Kinder mögen keine Schurken. Sie sind zu Anfang gut – und dann passiert irgendetwas. Eigentlich mögen sie die Helden. Selbst bei Egoshootern ist die eigene Spielfigur der Gute, nie der Böse. Die Wahrnehmung dieser Kinder, was wichtig ist , hat sich nicht geändert. Ich glaube selbst die Kinder der Höhlenmenschen hatten dasselbe Empfinden für Gut und Böse. Der Unterschied ist dass heutige Kinder mit schnelleren Bewegungen klarkommen. Aber die heute erfolgreichen Spiele Spiele sind auch sehr story-lastig, sie sind wie Filme. Erst haben Spiele nur Geschwindigkeit gebracht, Die neueste Generation von Computerspielen und Comic-Filmen versteht den Wert der Charaktere für das Spiel und den Film. Wenn ihr das neue Spider-Man-Spiel seht – das ist sehr clever.
FILM.TV: Sie entwickeln ja selbst einige Filme, die auf Spielen basieren. Wie weit sind sie da ?
Avi Arad: Es geht voran. Für „Uncharted“ haben wir einen Regisseur. Matthew hat die Rechte dafür gekauft. „Mass Effect“ habe ich allerdings gekauft. Das sind beides gute Beispiele für gut entwickelte Charaktere in Spielen. Beide sind gerade in der Drehbuchphase und werden ins Kino kommen. .
Für mich ist das ähnlich wie damals bei den Comicverfilmungen. Das war anfangs auch sehr schwer durchzusetzen. Wenn wir erstmal eine erfolgreiche Spieleverfilmung haben, wird das ein Dammbruch. Die Spiele sind ja noch kinoähnlicher als Comics. Die Comics sind im Grunde Storyboards, aber die Animationen der Spiele sind sogar schon eine hochentwickelte„Pre-Vis“, eine animierte Szene. Ich bin hoffnungsvoll. Wenn wir die richtigen Spiele auswählen, wird das funktionieren.
FILM.TV: Es steht ja schon fest, dass es eine Fortsetzung von „The Amazing Spiderman“ geben wird. Können sie darüber schon was verraten.
Matthew Tolmach: Der nächste Film wird im Mai 2014 herauskommen. Wir haben tolle Autoren angeheuert, die gerade am Drehbuch arbeiten. Wir haben von Anfang an über mehrere Filme gesprochen. Und man sieht ja, dass Peter am Ende immer noch auf der Suche ist und emotional und dramaturgisch viele Dinge noch offen sind, wie seine Beziehung zu Gwen. Und es gibt Leute, die Spiderman im Auge behalten. Die Geschichte geht weiter – und wir wissen wo sie hinführt. Wir machen unsere Hausaufgaben.
FILM.TV: Warum stellen sie mit „The Amazing Spider-Man“ nochmal alles auf Anfang ?
Avi Arad: Warum nicht ? Es macht Spaß ! Aber im Ernst, es ist eigentlich kein Neuanfang. Es ist Teil des Mystischen an Comics, dass man Geschichten ändern kann und sich mit verschiedenen Aspekten einer Figur befassen kann. Das passiert bei den Spider-Man-Comics seit 50 Jahren mit Erfolg. Die erste Trilogie mit Sam (Raimi) war brilliant. Im ersten Film gings um die Entstehung des Helden, im zweiten um die Probleme des Heldendaseins und im dritten Filme um die dunkle Seite, die die Macht mit sich bringt.
Wir hatten aber schon länger eine Idee, die nicht in die Trilogie passte. Es geht um die Herkunft von Peter Parker. Das ist für einige von uns interessanter, weil es eine persönliche Geschichte ist und ein Thema behandelt, das wir alle kennen. Die meisten von uns haben im Alter von 4, 5 oder 6 Jahren irgendeine traumatische Erfahrung gemacht - einen Umzug, eine Scheidung, eine neue Schule, den Verlust eines Elternteils. Das sind die Jahre in denen wir die am meisten Schaden nehmen, nicht in der Highschool. Wir kriegen schon sehr früh was ab.
Wir fanden, dass Peter dadurch geprägt wurde, dass er sich wie ein Waisenkind fühlte. Der Grund für das Verschwinden seiner Eltern ist ein Geheimnis. Und es gibt kein Kind, dass bei einer Scheidung nicht irgendwann denkt, dass es seine Schuld ist.
Auch wenn die Geschichte von einem kleinen Jungen handelt, geht es um etwas, das uns ein Leben lang begleitet. Eine tolle Geschichte , die den Weg bereitet für Peter als Teenager, der viele Fragen hat. Dann passiert etwas, er öffnet die Büchse der Pandora und wir dürfen einen Film über seine Reise machen, über Peter, der versucht herauszufinden, wer er ist.
Dadurch dass er die Büchse der Pandora öffnet , trifft Peter auf neue Leute Leute und schafft neue Situationen aber Peter kontrolliert auch sein eigenes Schicksal. Es gibt keine Zufälle mehr. Das ist anders als in der ersten Trilogie. Außerdem haben wir Marc Webb, der eine sehr realistische Einstellung zu Filmen hat.