Vielerlei Adaptionen der Geschichten des Sherlock Holmes erreichten bereits die große Leinwand. Weniger Aufmerksamkeit bekam dabei dessen jüngere Schwester Enola. Ändern soll sich das nun mit dem neuen Netflix-Original „Enola Holmes“.
Einen eigenen Namen konnte sich Enola nicht machen. So stand sie immer im Hintergrund ihrer beiden Brüder Mycroft und dem berüchtigten Detektiv Sherlock Holmes. Lange Zeit schon sind die beiden Brüder von zuhause ausgezogen, doch müssen nun wegen eines familiären Zwischenfalls zurückkehren. Am Tage des 16. Geburtstages von Enola verschwindet Mutter Eudoria spurlos. Und da selbst der große Sherlock Holmes nicht wirklich motiviert an den Fall herantritt, muss Enola selbst ans Werk und ihren ersten Fall lösen. Dabei stößt sie neben neuen Weggefährten auch auf die durch Mycroft gesetzten Grenzen, der sie in einem Erziehungs-Internat für junge Frauen sehen möchte.
Ursprünglich wurde „Enola Holmes“ von Warner Bros. für die große Leinwand gedreht. Schließlich kaufte Netflix, womöglich auch wegen der schlechten Einspielergebnisse durch die Covid-19 Pandemie, die Rechte des Filmes auf. Aufmerksame Zuschauer des Streamingdienstes dürfte die Protagonistin dabei mehr als bekannt vorkommen. Gemeint ist Millie Bobby Brown, die vor allem für ihre Rolle der Elf/Eleven in der Kult gewordenen Serie „Stranger Things“ populär geworden ist.
Dora auf Filmlänge
Adaptiert wurde in dem Film ein Buch der Autorin Nancy Springer. Harry Bradbeers Film setzt dabei als Zielgruppe, anders als die berühmte Serienadaption, ein jüngeres Publikum an. „Enola Holmes“ entspricht dem typischen Abenteuerfilm für die ganze Familie. Verdeutlicht wird das durch das Durchbrechen der vierten Wand, also der direkten Interaktion mit dem Publikum. Das Level ist dabei allerdings viel eher mit einer TV-Produktion wie „Dora – The Explorer“ zu vergleichen. Das Einwerfen von emotionalen Einordnungen oder der um Hilfe-Bittung durch den Zuschauer lässt die Handlung lächerlicher als nötig erscheinen.
Glänzen wiederum können die Protagonisten des Filmes. Allen voran dabei die Jungdarstellerin Millie Bobby Brown. Sie schafft es, ihre Version der Enola Holmes eigenständig und emanzipiert wirken zu lassen. Der Film zeigt auch abseits dessen primär starke Frauen und den Beginn des Feminismus sowie die Loslösung von alten Rollenbildern. Ebenfalls positiv hervorzuheben ist Henry Cavill, der Sherlock Holmes eine so bisher nicht da gewesene Facette gibt. Neben den sonst eher egomanen und soziopathischen Charakterzügen, mausert sich Cavills Sherlock zu einem mitfühlenden Unterstützer seiner rebellischen Schwester.
Freiheit auf Raten
Ein größeres Problem des Filmes ist die fehlende Kontinuität in der Erzählung. Der Film kann sich nicht für ein spezifisches Publikum und die eigentlich zentrale Geschichte entscheiden. Während man zum einen eine feministische Gruppierung in den Vordergrund legen möchte, so verbraucht die Erzählung einer anbahnenden Liebe zwischen Enola und dessen neuen Weggefährten Lord Tewksbury zu viel Zeit. Dabei verstrickt sich der Film auch in gewissen Zügen in Widersprüchlichkeiten und legt sich selbst Steine in den Weg. Zu Beginn wird Enola – ebenfalls zu lange – als rebellisch und selbstständig inszeniert, die auf keinen angewiesen ist. Dieser Figur, die sich vom Patriachat abwendet, dann wiederum eine Liebe zu einem eben solchen – wenn auch liberalen – zuzuschreiben wirkt da vielmehr zeitraubend und fehl am Platz.
Fazit:
Netflix bringt mit „Enola Holmes“ eine durchwachsenere Adaption der Geschichten aus der Welt der Sherlock Holmes auf die Bildschirme. Die Schauspieler und die erzählerischen Grundsätze sind dabei die klaren stärken des Filmes. Durch die unterschiedlichen Ansätze verrennt sich der Film allerdings und wirkt als gesamtes sehr langatmig. Gerade störend ist die Laufzeit von über zwei Stunden im Hinblick darauf, dass es sich hierbei um einen Familienfilm handelt.
Der Film "Enola Holmes" ist ab dem 23. September 2020 auf Netflix verfügbar. Hier könnt ihr euch den Film direkt ansehen.